Umweltzone: Wirtschaft gegen PolitikWirtschaftskammer fordert mit einer neuen Studie das Aus für die geplante Umweltzone in Graz. Nagl, Rücker und Wegscheider reagieren verschnupft.
Studie über Auswirkugnen der Umweltzone
1,26 Prozent. So viel bzw. wenig Reduktion an Feinstaub würde - so eine aktuelle Studie des Joanneum Research - die Umweltzone in Graz in den typischen Überschreitungsmonaten bewirken. Zudem würden Arbeitsplätze verschwinden, Umsatz und Wertschöpfung in der Zone einbrechen. In Auftrag gegeben hat die Studie, an der sich jetzt die Geister scheiden, die Wirtschaftskammer. Das Ziel der Umweltzonengegner ist jedenfalls erreicht: Aufmerksamkeit.
Wirtschaftskammerdirektor Thomas Spann ist mit der geplanten Umweltzone in Graz gar nicht einverstanden. "Der Umsatz würde um 430 Millionen, die Wertschöpfung um 63,5 Millionen einbrechen", sagt er. "Unser Ziel ist es, darauf zu schauen, wie die Einführung der Umweltzone wirkt, auch in Relation mit den Kosten und Auswirkungen für den gesamten Standort Graz."
Für Spann ist die Sache klar: "Würden die Heizkessel getauscht, die Fernwärme verstärkt sowie öffentliche Verkehrsmittel und Radwege ausgebaut, könnten wesentlich stärkere Effekte erzielt werden." Man sage nicht "Nein", ohne konsensorientiert zu sein, so Spann. "Die Wirtschaftskammer steht zu den Zahlen in der Studie."
"Abstruse Entwicklungen"
"Die Studie zur Umweltzone ist den politisch Verantwortlichen des Landes nicht bekannt", heißt es in einer Aussendung von Landesrat Manfred Wegscheider, Bürgermeister Siegfried Nagl und Vizebürgermeisterin Lisa Rücker. Die über die Medien kommunizierten Zahlen "erscheinen jedoch auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar".
Man werde die Studie anfordern und eine fachliche Stellungnahme ausarbeiten. "44 deutsche Städte haben bereits eine Umweltzone", sagt Nagl. In keiner dieser Städte seien solche "abstrusen Entwicklungen" wie die in der Studie prognostizierten eingetroffen. "Es gibt viele Studien, ich vertraue aber den Experten auf Bundes-, Landes- und Stadtebene", so Nagl. Rücker erklärte: "Die Umweltzone ist eine von vielen notwendigen Maßnahmen im Kampf gegen den Feinstaub." Die Menschen würden durch Angstparolen verunsichert.
Die Kleine Zeitung hat übrigens im Vorjahr von einer anderen Studie berichtet, die zum gleichen Ergebnis kommt: ein Emissionsrückgang von 1,3 Prozent.
SONJA HASEWEND
Die wichtigsten Punkte aus der Studie1,26 Prozent
Verkehr und Industrie stoßen ganzjährig Feinstaub aus, beim Hausbrand wird er zu 90 Prozent im Winter ausgestoßen. Die berechneten Ausstoßverringerungen im Verkehr können somit in den typischen Überschreitungsmonaten insgesamt einen nur um 1,26 Prozent verringerten Gesamtfeinstaubausstoß bewirken.
Jobverluste
23 Prozent aller gewerblich Beschäftigten in der Steiermark sind in der Umweltzone tätig. Diese bewirkt laut Studie einen Beschäftigungsrückgang in Handel und Tourismus. Für die Grazer Umweltzone droht demnach ein Beschäftigungsverlust mit rund 1500 Beschäftigten in den Sparten Tourismus und Handel.
Millionenverluste
Handel und Tourismus in Graz verzeichnen der Studie zufolge bei Einführung einer Umweltzone die folgenden Umsatz- und Bruttowertschöpfungsverluste in der Grazer Innenstadt: Umsatzrückgänge in der Höhe von 430 Millionen Euro. Bruttowertschöpfungsverluste in der Höhe von 63,5 Millionen Euro.
Heinzanlagen tauschen
Zur Frage der Kosteneffizienz der Umweltzone Graz erklären die Studienautoren: Der Tausch von 356 Heizanlagen könnte dieselbe Feinstaubmenge reduzieren wie die gesamte Umweltzone. Je nach Annahme der gewählten Neuanlage wäre er jedenfalls mit Kosten deutlich unter vier Millionen Euro zu bewerkstelligen.
SONJA HASEWEND
"Unsicherheit bei Leuten"
Kastner-&-Öhler-Chef Wäg zur Umweltzone.Martin Wäg, Vorstand Kastner & Öhler
Herr Wäg, was befürchten Sie, sollte eine Umweltzone kommen?
MARTIN WÄG: Ich befürchte, dass alles übereilt wird. Wenn überhaupt, kann eine Umweltzone anders als geplant nur großflächig sein, müsste bis Ilz, Deutschfeistritz, Mooskirchen gehen.
Und was befürchten Sie in wirtschaftlicher Hinsicht?
WÄG: Wir wissen, dass die Erreichbarkeit der Innenstadt ein zartes Pflänzchen ist. Ich befürchte vor allem einen Unsicherheitsfaktor bei den Menschen. Viele werden nicht begreifen, dass sie nicht fahren dürfen und andere schon. Dann werden sie abgestraft und schließlich sagen die Leute, dann fahren wir halt gar nicht mehr in die Innenstadt.
Was fordern Sie also bei dem Thema?
WÄG: Man muss sich schon einmal grundsätzlich anschauen, was eine Umweltzone wirklich bewirkt. Wird sie nur im Stadtkern installiert, ist das sicher eine wirtschaftliche Verzerrung, die für uns nicht lustig ist.
Und der Umweltschutz?
WÄG: Den muss man schon ernst nehmen. Aber es muss nachweisbar sein, dass so eine Maßnahme tatsächlich wirkt.
SONJA HASEWEND
quelle:
http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/2411119/studie-stellt-wirksamkeit-geplanter-umweltzone-infrage.story