Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #129 –
Bezüglich Stromabnehmer hast du natürlich völlig recht! Da haben die 1216.1 und auch die 1293 der ÖBB ja nur mehr einen für Österreich geeigneten Stromabnehmer, da die anderen drei für die diversen anderen Länder gebraucht werden.
Das Thema sehe ich aber nicht als das große Problem. Auch wenn vielleicht nicht die gleiche Lok von Frankreich bis Bulgarien durchfahren kann (falls das überhaupt notwendig ist), würde die Vereinheitlichung der restlichen Parameter (Sicherungssysteme, europaweite Zulassung etc.) die Situation wesentlich erleichtern, da man als EVU trotzdem relativ einfach eine Lok, wenn sich die Transportleistungen verändern, in ein anderes Land umstationieren kann, indem man nur den Stromabnehmer wechselt und nicht weitere Umbaumaßnahmen (Zugsicherungssystem) inkl. zusätzlicher Zulassungsverfahren für das neue Einsatzgebiet benötigt.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass man einen ,,Europa-Stromabnehmer" normiert, mit dem zumindest die internationalen Korridore befahren werden können. Da man bis zu vier Stromabnehmer auf (moderne) Loks montieren kann, würde das für viele Fahrten wohl auch ausreichen. - Ein Stromabnehmer für die internationale Fahrt und bis zu drei Stromabnehmer, wenn Start/Ziel im entsprechenden Land abseits der nach internationalem Standard ausgestatteten Strecken liegen.
Auch ältere (Inlands-)Loks mit nur zwei Stromabnehmer könnte man so umrüsten. Der ,,Europa-Stromabnehmer" für die Hauptstrecken und der andere Stromabnehmer für die restlichen Strecken. Natürlich steigt dabei die Störungsanfälligkeit mit nur einem verfügbaren Stromabnehmer pro System. Aber das Problem kann nicht so groß sein, sonst würden 1216.1 bzw. 1293 nicht generell nur einen Stromabnehmer pro System haben.
Bei meinem Vorschlag wäre es auch problemlos möglich das Netz abseits der internationalen Korridore schrittweise im Rahmen der sowieso geplanten Reinvestitionen fast kostenneutral auf den internationalen Standard umzurüsten, da alle Loks eh beide Systeme beherrschen. Wenn man dann das ganze Netz umgerüstet hat, kann man dann zwei ,,Europa-Stromabnehmer" montieren und hat wieder die gewünschte Flexibilität bei Störung eines Stromabnehmers.
Das ist natürlich ein Projekt, dass zur kompletten Umrüstung mehrere Jahrzehnte benötigt! Aber es wäre möglich, wenn es die Mitgliedsländer und Infrastrukturbetreiber WOLLEN. (Das Wollen ist wohl definitiv das größte Problem.)
Bezüglich Sprachkenntnisse der Lokführer hast du natürlich auch völlig recht! Wenn ich richtig informiert bin, muss man derzeit die Sprache des jeweiligen Landes zumindest auf Niveau ,,B2" können, um dort als Lokführer tätig zu sein. Das sind schon hohe Anforderungen, die man wohl nur in den seltensten Fällen erfüllen kann, wenn man nicht bereits in der Schule die entsprechende Sprache gelernt hat.
Genau deshalb gibt es aber auch die Ambitionen, eine einheitliche Arbeitssprache einzuführen. Dabei geht es aber nicht darum, dass man fließend Englisch spricht. Die Absicht ist mehr ein ,,Phrasen-Englisch", bei dem man sich bei dienstlichen Gesprächen mit der Fahrdienstleitung mit bestimmten ,,Kommandos" die nötigen Informationen zukommen lässt. - Ähnlich wie es im Flugverkehr seit Jahren üblich ist.
Bezüglich Gewerkschaft hast du bei der Thematik auch wiederum vollkommen recht! Die ist hier wohl auch das größte Hindernis. Die wird sich aber (meiner Meinung nach) völlig umsonst wichtig machen, da es ja - wie du auch erwähnt hast - einen Lokführermangel gibt, wodurch ein ausländischer Lokführer keinem österreichischem Lokführer den Arbeitsplatz wegnehmen würde. Das Erlernen der ,,Sprache" sehe ich auch nicht als großes Problem. Man würde ja nicht die ganze Sprache inklusive Grammatik lernen müssen und dann frei Sprechen und Sätze bilden können. Es geht um eine bestimmte Anzahl an Phrasen für die unterschiedlichen Betriebssituationen, die man genauso wie gewisse technische Bezeichnungen während der Ausbildung auswendig lernen muss.
Die einheitliche Sprache würde aus meiner Sicht schon große Vorteile bieten! Im Personenverkehr, der von den Bahnverwaltungen der verschiedenen Länder gemeinsam betrieben wird, wäre der Vorteil vielleicht nicht so extrem groß. Auch wenn es schon ein paar Grenzbahnhöfe gibt, bei denen der Halt aus Fahrgastsicht ziemlich unnötig ist - z.B. in Spielfeld, Hodos, Villa Opicina - Grenzbahnhöfe liegen oft weit ab von (größeren) Orten, die einen Fernverkehrshalt rechtfertigen würden.
Aber den ganz großen Vorteil hat der Güterverkehr. Dann brauchen die diversen EVUs (auch z.B. die ÖBB-Tochter Rail Cargo) nicht in jedem Land einen eigenen Personalstamm mit eigener Personalreserve. Das würde sogar den Lokführermangel lindern, da man die vorhandenen Lokführer flexibler einsetzen kann. Ein Lokführer kann im Laufe eines Dienstes auch mehrere der (kleinen) europäischen Länder durchqueren. Tschechien-Slowakei-Ungarn, Österreich-Slowenien-Kroatien, Slowakei-Ungarn/Österreich-Slowenien wären nur ein paar Bespiele für Fälle, wo ein Lokführer (natürlich mit Pausenzeiten) den Güterzug fahren kann und nicht drei Lokführer - und für das EVU drei unterschiedliche Personalstämme mit drei unterschiedlichen Personalreserven - notwendig sind.
Die Streckenkenntnis bleibt natürlich ein Thema. Aber es geht ja nicht darum, dass ein Lokführer alle Strecken in Europa befahren darf. Es geht darum, dass man auf den für die entsprechende Verbindung notwendigen Korridoren - unabhängig der Staatsgrenzen - fahren kann. In Europa liegen die Staatsgrenzen halt teilweise sehr nah beieinander. z.B. bei einer Nord-Süd-Querung der Slowakei braucht man sehr schnell Kenntnisse in drei Sprachen bei den derzeitigen Richtlinien.
Bezüglich anderer länderspezifischen Vorschriften: Natürlich sind einige aus einem guten Grund entstanden, weil sie in dem Land notwendig sind. Aber es gibt auch genug Vorschriften, die unnötig sind. So gab es in manchen Ländern die Vorschrift für runde Scheinwerfer, in anderen für eckige Scheinwerfer. Oder auch die Vorschrift für gewisse Farbgebungen der Loks (der rote Streifen in Italien ist da noch so ein Überbleibsel). - Vieles davon wurde eh bereits vereinheitlicht. Aber es gibt noch genug Vorschriften, die noch bearbeitet gehören. In Ungarn wird auf jeden Zug (zusätzlich zum elektrischen Schlusslicht) noch eine rote Zugschlusstafel angebracht. Sowohl bei IC-Wagen, beim Railjet, beim (ex) 5047, Flirt usw. Die werden nach meinen Beobachtungen von den Schaffnern mitgebracht und bei Personalwechsel auch getauscht, da jeder Schaffner seine persönliche Tafel hat. Auch in Italien werden (große) Tafeln zusätzlich zum (funktionierenden) Schlusslicht angebracht.
Da gibt es in den verschiedenen Ländern genug Vorschriften, die nicht unbedingt notwendig sind.
Ich weiß, dass viele Punkte, die ich geschrieben habe, nicht oder erst in Jahrzehnten umgesetzt werden. Aber auch wenn nur ein einzelner Punkt umgesetzt wird, ist es schon ein großer Fortschritt. Ich finde es auf jeden Fall sehr positiv, dass es eine Initiative gibt, die sich für eine bessere Interoperabilität im Schienenverkehr einsetzt.
Das ist nämlich ein entscheidender Nachteil, den die Schiene gegenüber der Straße hat. Im Schienengüterverkehr ist ja vor allem das Be-/Entladen und das Bilden eines Zuges der teure Teil im Vergleich zur tatsächlichen Fahrt. Dementsprechend rechnet sich die Bahn vor allem auf längeren Distanzen. Das tut sie aber in der Realität nur, wenn die Rahmenbedingungen passen und nicht unzählige unnötige Hürden an den Grenzübergängen den Transport verzögern/teurer machen. Längere Distanzen erreicht man in Europa häufig nur über (mindestens) eine Staatsgrenze. Aus dem Grund ist jede Maßnahme zur Steigerung der Interoperabilität dringend notwendig!
Die Einstellung ,,Das war schon immer so! Warum sollen wir was ändern?", die leider manche Länder bzw. Bahnverwaltungen haben, ist mir da ein Dorn im Auge. - Hoffentlich sind die Pläne der EU hier erfolgreich.