Massiver Widerstand gegen Ausbau der S 36/S 37Ausbau S 36/S 37: Es wogt pro und kontra, Bau von Abschnitt 2 soll im Herbst starten. Von Widerstand, Verkehrslawine und Wachtelkönig.
Transparente in Hülle und Fülle bei der Demo
Stoppt die Asfinag-Betonierer!" Erneut formierte sich vergangenes Wochenende massiver Widerstand gegen den geplanten Ausbau der S 36/S 37: Straßenblockaden in Unzmarkt, wir berichteten. Die Ideen der Bürgerinitiativen, um für ihr Anliegen mobil zu machen, rollen generell im nicht zimperlich-kreativen Bereich: Man denke an die Installation beim Perchauer Sattel, wo eine Heerschar an Totenkreuzen den Vorbeiströmenden die Gefahr einer ausgebauten "Autobahn" ins Bewusstsein bomben sollte.
Etwas lieblicher sagte man jüngst in Kulm "nein" zur vierspurigen Durchfahrt: Ein Wachtelkönigfest unterstrich die Existenz des berühmten Crex crex auch im Murtal. Bürgermeister Johann Obermayer ist bekennender Ausbau-Gegner, fühlt sich von "Ignoranten", die den Vogel für ein erfundenes Mittel zum Zweck halten, nicht irritiert: "Das ist die Taktik von Leuten, die etwas durchsetzen wollen und nicht nachdenken, dass die Region die Straße nicht braucht."
Ja, auch im Murtal: Umstrittene, verhinderte Straßenprojekte kennt man in der Steiermark, die Ennstaler können ein Lied davon singen. Der Protest entzweite die Bevölkerung und führte bis zur aktionistischen Ankettung an Baugeräten. Auf die Bremse steigt die Straßenbaugesellschaft Asfinag deshalb nicht: "Wir haben mit Protesten Erfahrung, akzeptieren das freie Demonstrationsrecht", versichert Sprecher Volker Höferl und glaubt: "Je überschaubarer der Trassenplan, desto geringer der Widerstand." Immerhin sei man laufend mit den Bürgerinitativen in Kontakt, halte regelmäßig "Gemeindeforen" ab, um die kommunalen Vertreter zu informieren.
Freilich leiden die Menschen, die direkt an dieser Transitroute leben, seit Jahrzehnten unter der stetig wachsenden Verkehrslawine. Viele plädieren für einen Ausbau, etliche Unternehmer argumentieren mit wirtschaftlichen Nachteilen.
Murverlegung
Aktueller Stand: Während für den ersten Teilabschnitt von Judenburg nach St. Georgen die Umweltverträglichkeitsprüfung läuft, soll der Bau des Abschnittes von St. Georgen bis Scheifling im Herbst starten. Schritt eins: die Verlegung der Mur, was einige Monate in Anspruch nehmen dürfte. Mitten in diesem zweiten Abschnitt Unzmarkt - dort wurde mit Vehemenz und schließlich Erfolg eine Verlängerung der Unterflurtrasse eingefordert.
Ein Neumarkter wünscht im Gespräch mit der Kleinen anderes: "Wir wollen eine Umfahrung!" Seit mehr als 50 Jahren wohne er direkt - Abstand vier Meter - neben der Straße: "Der Verkehr ist für uns eine Belastung. Die Hauptader muss aus dem Ortsgebiet hinaus." Den Aktionisten richtet er aus: "Sich nur auf die Straße zu legen und sagen, hier nicht - das geht nicht."
Auch politische Kräfte in dem Markt, der seit langem pro und kontra Umfahrung hadert, sprechen sich für eine solche statt des Ausbaues aus. Der Haken: Dazu müsste die Straße von der Asfinag ans Land gehen, und dieses hat bekanntlich nicht einmal genug Geld zum Stopfen der Asphaltlöcher. Deshalb bestehen etwa die Grünen auf ein neues, unaufhebbares Lkw-Fahrverbot.
Spannend wird weiters, welchen Lauf die Beschwerde der Gemeinde Perchau beim Verfassungsgerichtshof nimmt: Sie fußt auf einen Artikel des Verkehrsprotokolls zur Alpenkonvention, wonach das gesamte Projekt für rechtswidrig erklärt werden könnte. Man hofft auf eine Überprüfung des Bundesstraßengesetzes und in weiterer Folge darauf, dass es für nicht verfassungskonform erklärt wird.
Peter Hasler von den Bürgerinitiativen: "Die Chance dafür ist hoch." Voraussetzung: Der Gerichtshof prüft tatsächlich. Ein derartiges Urteil könnte sogar EU-weit bahnbrechend wirken.
BETTINA OBERRAINER
Arbeitsgruppe: Bürger wurden ausgebremst
Vor einem Jahr beschloss der Landtag, die Regierung anzuhalten, gemeinsam mit Kärnten eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung von Asfinag, betroffenen Gemeinden und Bürgerinitiativen einzusetzen. Zweck: die Verkehrsplanung strategisch darstellen und zu erwartende Auswirkungen des Straßenbaus als Basis für weitere Entscheidungen zu prüfen. Diese Arbeitsgruppe gibt es nun - bloß wurden Gemeinden und Bürgerinitiativen offenbar ausgebremst. "Diese Arbeitsgruppe ist für den Hugo und hat eine völlige Schieflage", ätzt dazu Grün-Abgeordneter Lambert Schönleitner. Straßenbaulobbyisten und das BZÖ würden den Ton angeben, nachdem aus Kärnten drei, aus der Steiermark nur zwei Mitglieder eingebunden seien.
Dass die Politik zu ihren Zugeständnissen steht, hätte auch Scheiflings Bürgermeister Christian Göttfried (SPÖ) erwartet: "Schließlich ist es ein Gemeinschaftsprojekt." In Bezug auf die aktuelle Situation fühlt man sich etwas im Regen stehen gelassen. "Wir wissen nicht viel, nur, dass die Tunnelvariante im Gemeindegebiet Scheifling fix sein soll." Eine Lösung, von der der Ortschef glaubt, dass damit mehr als die Hälfte der Bürger leben könnte. Sollte dem nicht so sein, so werde auch er, obwohl grundsätzlich für den Straßenausbau, die Meinung der Bevölkerung vertreten. Der Landespolitik empfiehlt Göttfried, die Gemeinden besser einzubinden.
Diese harren nun einer Einladung zur Projektpräsentation, die schon für Ende Juli angekündigt war.
BETTINA OBERRAINER

Maximaler Schutz
Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten", haben einst die Grünen proklamiert. Das Zitat wurde von der Zeit überholt, den Verkehr haben wir längst auch dort, wo die Straßen nicht ausgebaut wurden. Der beste Beweis dafür ist das Ennstal, wo Stau, Lärm und Unfälle an der Tagesordnung stehen.
Ausbaden muss dies alles die Bevölkerung, die speziell seit der Ostöffnung in vielen Teilen des Landes von der Verkehrslawine geradezu überrollt wird.
Heutzutage aber eine neue Straße bauen zu wollen, trifft natürlich auf erbitterten Widerstand. Dem entsprechend können sich etwa die Bürgerinitiativen gegen die S 7 von Ilz nach Heiligenkreuz und die gegen die Murtal-Schnellstraße von Judenburg nach Scheifling regen Zulaufs erfreuen.
An beiden Projekten wird wohl kein Weg vorbeiführen. Eines muss der Politik und den Straßenbauern aber klar sein: Die Bevölkerung dort muss vor den Auswirkungen maximal geschützt werden. Auch wenn der Steuerzahler dafür sehr tief in die Tasche greifen muss.
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BERND OLBRICH
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