Graz, die Stadt am SeeIm Prinzip tut mir Seiersberg leid. Seiersberg steht sehr oft für das Schlechte. Das größte Einkaufszentrum Österreichs saugt Graz die Kaufkraft ab, sagt man. Für Grazer Stadtpolitiker ist es eher ungünstig, in Seiersberg zu wohnen, und überhaupt: Seiersberg soll ja in Kohle untergehen, heißt es, im Speckgürtel um Graz herum soll man sich ja in Geld baden können. Seiersberg leistet sich als Hauptsponsor mit den Grazhoppers sogar einen eigenen Handballverein, an der Identitätsstiftung wird also gearbeitet. Und, ob man's glauben will oder nicht: Seit 20 Jahren gibt's in Seiersberg ein Neuseiersberg. Ein ,,Neugraz" oder eine ,,Grazer Neustadt" gibt es nicht. Weder wanderten mutige Grazer nach Amerika aus und gründeten dort ein ,,New Graz", noch haben wir eine Grazer Neustadt vor unseren Mauern.
Das Pendant in Niederösterreich gäbe es ja. Wiener Neustadt kann halt leider nicht viel mehr, als Wiener Neustadt zu sein. Die Stadt zählt sicher zu den zehn hässlichsten Städten der Welt, aber trotzdem verweist sie durch ihren Namen wenigstens auf die Großstadt Wien.
Frohnleiten wäre eine schöne Stadt, die sich dafür eignet, vor allem weil sie sich durch den Grazer Müll und dem damit verbundenen Geld aufpeppte. Da hätte man damals den Deal machen können: Ihr nehmt unseren Zaster und unseren Müll und nennt euch im Gegenzug Müllgraz. Das wäre ein kreativer Anfang gewesen. Dazu kommt nun Gratkorn. Gratkorn ist ein eher zweckdienlicher Ort, sage ich einmal. Wir könnten der Marktgemeinde ja ein bisserl Flair schenken und sie auf ,,Grazkorn" umtaufen. Ein Jahr später, nachdem der Wille der Gratkorner Bevölkerung gebrochen sein wird, werden wir in unserer Großzügigkeit Grazkorn zu Grazdorf abwandeln. Zu dieser Zeit wird Graz längst wieder in Geld schwimmen, weil die GUler (Personen aus dem politischen Bezirk Graz Umgebung) für jedes Gackerl, das sie in Graz machen, an die Landeshauptstadt Bußgelder entrichten müssen. Oder aber, die Gemeinden lassen sich einverleiben, dann dürfen ihre Bürger auch weiterhin kostenlos Grazer Luft schnappen. Und wenn das alles nix hilft, dann nennen wir eben den neu entstehenden Stadtteil bei den Reininghausgründen Kleingraz.
Was ist eigentlich mit den Reininghausgründen los? Da wollte man doch noch vor Kurzem eine ganze Stadt in der Stadt bauen, damit sehr viele Menschen ihre Meldezettel in Graz ausfüllen würden. Eh super, aber das Petruswerk, das zuletzt daran interessiert war, von dem hört man nichts mehr. Unter uns: Klingt vom Namen nach gespenstisch, ein bisschen wie eine Sekte, wer weiß, was die alles hingestellt hätten.
Dabei braucht es ja nicht viel. Ein paar schmissige Häuser, die können von unseren Grazer Designern entworfen werden, und einen geilen See, den sollen sie auch gleich mitentwerfen. Einen See will ich, Sie haben richtig gehört! Also mit Fischen drin, Segelbooten und allem Drumherum. Vielleicht kann man irgendwie einen Süßwassertintenfisch entwickeln, von mir aus auch ein paar Süßwasserhaie, dazu eine anständige Surferwelle machen, das hätte einen Gruselfaktor, surfen mit Kick eben. Keine Schotterteiche mit rüdem Publikum, ich will den Stadt-See, für den uns alle bewundern werden. Ein paar Straßen schleifen, Häuser abtragen, das Land mit Wasser überschwemmen, das muss drin sein für eine Stadt mit Visionen. Also, ich wünsch mir einen See, der in Graz beginnt und dann am Land aufhört. Der könnte ja dann wieder Graz und Graz Umgebung verbinden. Aus GU wird G. Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte.
Martin G. Wanko lebt als Dramatiker in Graz.
Quelle:
http://www.kleinezeitung.at/g7/index.do