Re: Zugunglück Waldstein 06.05.2015
Antwort #22 –
Ich kann allen zustimmen, die hier ihr herzliches Beileid ausdrücken - dies auch von meiner Seite!
Diese Forderungen nach mehr Sicherheit sind aber kritisch zu hinterfragen. Zuerst einmal spricht natürlich nichts gegen mehr Sicherheit, jedes (Todes-)opfer ist eines zu viel, das möchte ich vorweg klarstellen.
Das Problem ist allerdings: Weitere Sicherheitsmaßnahmen müssen natürlich auch bezahlt werden.
Die Bahn ist allgemein ein sehr sicheres Verkehrsmittel. Es gibt unzählige Sicherheitseinrichtungen- und vorkehrungen, unter anderem PZB (und LZB), SIFA, diverse Sicherheitseinrichtungen in Stellwerken, Durchrutschwege, Notbremsüberbrückungen, Sprinkleranlagen in den Fahrzeugen, redundante Bremssysteme - ja selbst das Fahren auf Signal ist bereits eine wichtige Sicherheitskomponente. Die Anzahl der Unfälle bei Eisenbahnen ist sehr überschaubar.
Passiert nun ein Unfall auf der Eisenbahn wird sofort ein höherer Sicherheitsstandart gefordert. Auf der anderen Seite dauern bereits jetzt die Zulassungen bei Neufahrzeugen sehr lange, die Anforderungen für neue Eisenbahnfahrzeuge und -strecken lassen die Kosten ins exorbtantische schießen - das System Eisenbahn wird immer teurer und damit weniger attraktiv.
Ähnliches ist auch bei Unfällen der Luftfahrt zu beobachten, man denke an den Germanwingsabsturtz, der wirklich sehr tragisch war. Nun muss ein Flugbegleiter aufgrund des Vieraugenprinzips im Cockpit verbleiben, wenn es einer der Piloten verlässt um zum Beispiel die Toilette zu benutzen. Äußerst lustig stelle ich mir die Ausbildungssituation 30 Jahren vor: Niemand wird sich an den Unfall erinnern können, das Vieraugenprinzip wird jedoch bleiben. Man wird den künftigen Mitarbeitern erklären, was sie zu tun haben - und die wiederum werden sich nach dem Sinn dahinter fragen. Was soll ein Flugbegleiter denn tun, wenn sich der Pilot dazu entschließt ein ganzes Flugzeug abstürtzen zu lassen und damit 150 Menschen zu töten? Warum sollte dieser Pilot davor zurückschrecken den Flugbegleiter zumindest bewusstlos zu schlagen, wenn er sowieso vor hat so viele Menschen zu töten?
Ganz egal welche Sicherheitsregelungen auch kommen werden: Menschliches Versagen (oder auch Vorsatz) wird - solange Menschen Maschinen bedienen - immer vorkommen. Man muss streng genommen immer hoffen, dass Menschen die Verantwortung für Menschenleben tragen keine Psychopaten sind.
Und für alle, die sich fragen, wie ich denn nur gegen schützende Sicherheitsvorkehrungen sein kann möchte ich ein paar Fragen stellen:
Wo bleibt die Pflicht Sport zu trieben? Bewegungsmangel ist eine wirklich häufige Ursache für Krankheiten. Wieso ist Alkohol nicht verboten? Warum gibt es keine Geschwindigkeitsüberwachungen in Autos? Wieso sind Zigaretten nicht verboten? Wieso gibt es noch immer keine Autos mit eingebauten Alkomaten, die sich nur bis zu einem gewissen Alkoholpegel in Betrieb nehmen lassen? Warum müssen Fahrradfahrer keinen Helm tragen?
Die Antwort liegt auf der Hand: All diese Dinge betreffen die Menschen direkt. Solche Sicherheitseinrichtungen müssen von den Menschen aktiv bezahlt werden - ein Helm kostet genauso Geld wie ein Auto nun mal mehr kostet, wenn es mehr Sicherheitssysteme gibt.
Die Sicherungssysteme bei der Eisenbahn und im Luftverkehr müssen aber auch bezahlt werden, nur eben nicht direkt. Niemand muss einen ,,Sicherungssystembeitrag" aktiv auf ein Konto überweisen, sondern diese Mehrkosten verstecken sich in teureren Tickets und in höheren Förderungsgeldern, ohne das der normale Bahnbenützer (oder Steuerzahler) etwas davon merkt.
Was ich nicht ankreide sind Sicherungssysteme an sich - sondern die Zweigleisigkeit die hier vorherrscht. Natürlich sind meine Beispiele etwas überspitzt, aber ich hoffe es versteht jeder, was ich damit ausdrücken möchte: Es geht um eine sinnvolle Abwägung von Kosten und Nutzen.
Und lieber urbanite: So ein Unglück wird wieder passieren. Und dann wieder. Und dann noch einmal. Kein System ist unfehlbar.
Mein herzliches Beileid allen Hinterbliebenen dieses tragischen Unglücks.
A developed country is not a place where the poor have cars. It's where the rich use public transport.
-Gustavo Petro