Als "Donnerwalze" verspottet
Riesen-Ärger wegen der Vario-TramMünchen - Nicht nur München hat Probleme mit der Vario-Tram. In Graz wird sie als "Donnerwalze" verspottet - und musste aufwändig nachgerüstet werden. Ein Experte schimpft sie ein ,,Billigprodukt". Hätte die MVG von dem Ärger wissen müssen?
Eine Erfolgsgeschichte sieht anders aus: Als 2010 die ersten Variobahnen auf Grazer Gleisen unterwegs waren, beschwerten sich zahlreiche Anwohner. Von ,,bebender Erde" war die Rede, in Medien hieß die Bahn bald nur noch ,,Donnerwalze". Die gleiche Tram kurvt durch München. Auch hier klagen Anwohner über Erschütterungen, klirrende Gläser und vibrierende Böden (wir berichteten).
In Österreich waren die Proteste schließlich so stark, dass der Schweizer Hersteller Stadler nachbessern musste. Ein ,,Grazer Maßnahmenpaket" wurde beschlossen, mit weicheren Federn, neuen Rädern, Dämpfern und Metall-Elementen. Alles, um die Vibrationen abzumildern. Inzwischen ist man in Graz einigermaßen zufrieden mit der Variobahn .
Ob für München ähnliche Schritte infrage kommen, ist noch offen - die Verkehrsgesellschaft (MVG) hat Stadler aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Michael Krische, Redaktionsleiter des Fachblatts ,,Straßenbahn Magazin", hält Nachbesserungen für möglich - und kritisiert die Variobahn: ,,Sie ist aufgrund ihrer Konstruktion eher ein Billigprodukt." Im Vergleich zu älteren Modellen sei die Variotram ein technischer Rückschritt. Das liege vor allem an den starren Fahrgestellen. Bei der Tram vom älteren Typ R3, von dem die MVG 20 Stück besitzt, kommen Drehgestelle zum Einsatz. Das führt laut Krische zu einem weicheren Fahrverhalten.
Hinzu komme das Gewicht der Variobahn, in München immerhin stolze 40 Tonnen ohne Fahrgäste. Zwar ist die R3 ähnlich schwer, aber hier verteilt sich die Last auf vier Fahrgestelle. Bei der Vario sind es nur drei. Die belasteten und starren Gestelle würden womöglich auch die Gleise stärker abnutzen - das sei bisher aber noch nicht genau untersucht. ,,In puncto Fahrkomfort und Lärmentwicklung ist die Variobahn grenzwertig", sagt Krische. In Kurven komme es zu einem ,,Quietschen wie in den Fünfzigern". Schon bei der ersten Präsentation in München sei ihm das rumpelnde und starre Fahrgefühl aufgefallen.
Offenbar beschweren sich auch Münchens Tramfahrer hinter vorgehaltener Hand über das Fahrverhalten, verriet ein MVG-Mitarbeiter unserer Zeitung. In Internet-Foren bezeichnen Eisenbahnliebhaber die Tram zuweilen als ,,Varioglump" oder ,,Rumpelkiste". Krische erhebt den Vorwurf, die MVG hätte die Variobahn vor der Bestellung auf dem Münchner Schienennetz testen müssen. ,,Das Münchner Netz ist sowieso sehr einschränkend, was Neuanschaffungen angeht", erklärt der Experte. Der Abstand zwischen parallel verlaufenden Gleisen sei recht gering, die Kurven vergleichsweise eng. Die R3-Tram laufe wesentlich besser als die Variobahn, weil sie an die hiesigen Gegebenheiten angepasst worden sei. Allerdings wird die R3 seit geraumer Zeit nicht mehr hergestellt.
Hätte es vor dem Vario-Deal eine bessere Alternative gegeben? Die ,,Avenio" von Siemens - die auch über Drehgelenke verfügt - war damals noch in weiter Ferne. Echte Alternativen gab es laut Krische daher nicht. ,,Am besten wäre gewesen, die MVG hätte gewartet", sagt er. Die Avenio ist ähnlich konzipiert wie die R3. Die Variobahn hingegen ein ,,Exot", warnt Krische.
Die MVG weist die Vorwürfe scharf zurück. Zwar wisse man von der Situation in Graz - dass man mit der Variobahn einen technischen Rückschritt gemacht habe, sei jedoch ,,schlichter Unfug". Die starren Fahrgestelle böten den Vorteil, dass man im Innenraum weniger breite Radkästen brauche, was sich für Fahrgäste in Form von mehr Platz positiv bemerkbar mache. Außerdem sei Stadler der günstigste Hersteller gewesen, der auf die europaweite Ausschreibung ein den Vorgaben genügendes Angebot gemacht habe. Auch in vielen anderen Städten werde die Vario eingesetzt, rechtfertigt sich die MVG.
Dass die Tram nicht rechtzeitig auf den hiesigen Schienen getestet wurde, sei nicht die Schuld der MVG, heißt es. Zum Zeitpunkt der Order seien die Fahrzeuge noch nicht in Betrieb gewesen, es habe also keine Möglichkeit zu einem Test bestanden. Zudem seien die Anforderungen des Netzes Teil der Ausschreibung und ein Test somit nicht erforderlich gewesen.
Das alles hilft den genervten Anwohnern wenig. Die MVG hat angekündigt, noch im Frühjahr die angeblichen Erschütterungen zu messen. Ansonsten warte man auf eine Rückmeldung des Herstellers, ob ein ,,Münchner Maßnahmenpaket" denkbar wäre. Was die verstärkte Gleisabnutzung angeht, sei es für eine Bewertung noch zu früh.
So richtig überzeugt von der Vario scheint man aber auch bei der MVG nicht zu sein. Im September bestellte man acht Avenio-Trams bei Siemens. Die Variobahnen aber sollen München erhalten bleiben. Die MVG hatte lediglich eine zweite Bestellung bei Stadler storniert, nachdem hartnäckige Probleme mit den Dämpfungsgummis für massive Ausfälle gesorgt hatten. Zumindest diesen Ärger mit der ,,Donnerwalze" hat man inzwischen in den Griff bekommen.
Von Moritz Homann
Quelle:
http://www.merkur-online.de/lokales/muenchen/stadt-muenchen/donnerwalze-machte-auch-graz-aerger-mm-2826798.html